Karl Bruckmaier (BR/SZ) und Wilfried Petzi (FSK)
„OBI oder das Streben nach Glück":
ein Baumarkt-Besuch mit Gesang, Gerede und zahlreichen Fotos
Mittelerde. Mittwelt. Unbeachtet, ungeachtet, pauschal verachtet: Falls die Schönheit tatsächlich im Auge des Betrachters liegt, dann steht einem mit „OBI oder das Streben nach Glück" eine spannende Reise in einen Mikrokosmos bevor, der sich zwar unverstellt vor unseren Sinnesorganen spreizt und breitmacht, aber gleichzeitig unsichtbar bleibt, weil er nicht erkannt werden kann. Weil sich unsere Augen bisher weigern zu sehen.
In Deutschlands Provinzen - hier die Region zwischen Vils und Rott - findet sich an jeder Straßenecke eine praktizierende Ästhetik des Widerstands gegen das Geschmacksdiktat der Eliten oft reaktionär, oft willkürlich oder banal - aber immer auch unzähmbar verstockt und lebendig, ein unüberschaubarer Feldversuch in Sachen Selbstverwirklichung. Die Menschen dort, denen die Gebote des guten Geschmacks oft nichts bedeuten, denen die Erkenntnisse von Architektur und Kunsthistorie suspekt sind, denen Machbarkeit, Preis und Schnelligkeit Werte an sich sein können, kombinieren sich munter aus den Materialien, die der Baumarkt bietet, und den Bildern, die man aus Urlaub oder Vorabendserie so kennt, eine Welt, wie sie ihnen gefällt. Aus Pop wurde Waschbeton... cool.
Pointen und gelungene Verbindungen gelingen dem Autor Karl Bruckmaier auf seinen 200 Seiten umfassenden, in der kursbuch.edition (Murmann Verlag) erschienenen Buch zum OBI-Pop auf Schönste, auf geradezu mustergültige Weise. Gemeinsam mit dem Fotografen Wilfried Petzi, der als Musiker bei der Theorie-Pop-Band FSK spielt, ist er wochenlang durch Niederbayern gefahren, die Gegend, in der er einst aufwuchs. Gemeinsam haben die Männer Bushaltestellen und Blumenbeete studiert, Hofeinfahrten und Vorgärten. „Windspiele klingen, rostiges Blech wird zu Vögeln und Fröschen umgeschmiedet, Glaskugeln blitzen zwischen ausufernden Bambusflächen, altes Ackergerät wird in kruden Zusammenhang gesetzt mit Blumenschmuck und FC-Bayern-Fahnen." Statt sich über solche Kombinationen lustig zu machen, statt die grelle Überschmückung oder gar den „schlechten Geschmack" der Dörfler zu zerreißen, verteidigt Bruckmaier sie - und zwar mit Verve.
"Wunderbar garstig, zugleich aber versöhnlich und erhellend." Der Freitag